Vorstellung im Rahmen der EXPO Gemeindebau
Abschiedslied der zum Tode verurteilten Theresia K** oder Als Resi’s Hackl zur Hülf‘ holte!
Mehr auf: https://www.wohnpartner-wien.at/zusammenleben/stadtlabor-gemeindebau/
Anmeldung über folgende Mailadresse: stadtlabor.gemeindebau@wohnpartner-wien.at
“In einer stürmischen Winternacht des Kriegsjahres 180[8], am 20. Dezember, fanden Passanten in der Piaristengasse am Gehsteige, mitten im Schnee, einen bis aufs Hemd entkleideten Mann. Sie traten hinzu, da sie ihn für einen Betrunkenen hielten, der sich seines Gewandes entledigt habe, gewahrten aber, zu ihrem Entsetzen, daß der Körper steif und kalt sei. Der über und über besudelte Kopf des Toten sagte ihnen, daß es sich um ein Verbrechen handle.”[1]
Theresia K** wurde als Theresia Teppich am 10. Juni 1785 in Atzgersdorf bei Wien geboren. Wie den meisten Mädchen und Frauen jener Zeit waren ihr ein selbstbestimmtes Leben und eine persönliche Entfaltung nicht möglich, denn Vorschriften von Seiten des Elternhauses und der Gesellschaft sowie die vordringliche Erziehung zur zukünftigen Hausfrau und Mutter prägten Kindheit und Jugend.
Theresias Vater, Stephan Teppich, war der Ortsrichter der Gemeinde und die Familie sehr angesehen. Umso frappierender war es vermutlich, als Theresia mit Michael Pellmann, dem Sohn einer Fleischhauerfamilie aus Mauer, ein Verhältnis einging, dem ein uneheliches Kind entsprang, das im Findelhaus abgegeben wurde und dort auch kurz darauf verstarb.
In der Folge wurde die junge Frau an den Greißler Matthias Kandl in die Wiener Vorstadt Hungelbrunn verheiratet. Nach anfänglicher Harmonie mehrten sich allerdings die Misstöne in der ehelichen Gemeinschaft. Aber eine Scheidung war unmöglich, denn eine gültige und vollzogene Ehe unter katholischen Christen konnte nur durch den Tod aufgelöst werden. So nahm Theresia eine Hacke zur Hilfe, erschlug ihren Gatten und brachte ihn außer Haus.
Nach einigen Verhören wurde sie jedoch bereits als Mörderin entlarvt, ihr der Prozess gemacht und sie in der Folge als einzige Frau bei der Hinrichtungsstätte „Spinnerin am Kreuz” öffentlich gehängt.
Für unser Projekt war eine lange Zeit der umfassenden Recherche in vielen unterschiedlichen Quellen nötig. Ausgehend vom historischen Aktenmaterial erzählen wir die Geschichte der „schönen Greißlerin von Hungelbrunn” mit dem Schwerpunkt auf Sozialgeschichte, der Lage der Frauen und der Geschlechterverhältnisse, sowie der damaligen Gerichts- und Hinrichtungspraxis.
Leider existieren von dem Fall „Theresia Kandl“ keine vollständigen Akten mehr, sondern lediglich „Memorabilien” (wörtlich: „Denkwürdigkeiten”), also Aufzeichnungen, die während Kandls Fall angefertigt wurden und die wir im Wiener Stadt- und Landesarchiv einsahen. Sogar Verlassenschaftsakten konnten gefunden werden!
All diese Niederschriften, wie auch sämtliche Taufprotokolle der Protagonisten (die wir online über das Portal „matricula” studierten), sind in Kurrentschrift abgefasst – was, wie jede persönliche Handschrift, oft viel Mühe beim Entziffern verlangt.
Die Tagebücher einiger historischer Zeitzeugen sorgen für besondere Akzente, die die Handlung des Stückes besonders illustrieren. In Anbetracht dessen, dass die Hinrichtung Kandls, trotz all ihrer Besonderheit, nicht in den damaligen Zeitungen erwähnt wird, werden diese Aufzeichnungen zu äußerst wertvollen Dokumenten.
In der Wienbibliothek fanden wir den Originaldruck einer „Abschiedsmoritat” der Theresia K**, anhand deren Strophen sich die Handlung unseres Stücks entwickelt und die die jeweiligen Lebensabschnitte der Delinquentin einleiten. Musikalisch begleitet werden diese mit alten Wiener Tänzen aus dem 19 Jahrhundert.
In einigen Anthologien bemerkenswerter Kriminalfälle aus dem „Alten Wien”, wie etwa im „Wiener Pitaval” (Ubald Tartaruga) und in der „Schwarzen Bibliothek” (Joseph Pfundheller), sowie in der „Wiener Kriminalchronik” (Max Edelbacher/Harald Seyrl) wird der Fall der Theresia Kandl für die Nachwelt niedergeschrieben.
Ausgehend von Pfundhellers Version in der „Schwarzen Bibliothek” existiert daneben noch ein Separatdruck des Atzgersdorfer Lehrers David Sylvester Mayer von Rosenau unter dem Titel „Die letzte Justificirung einer weiblichen Person bei der Spinnerin am Kreuz am Wienerberge”, der einiges an wertvollem Detailwissen enthält, das heute leider verschollen ist.
Wir recherchierten in Bezirksmuseen, überprüften alte Stadtpläne auf die Lage der – historischen und heutigen – Örtlichkeiten und um die damalige Erziehung der Mädchen zu erforschen, studierten und exzerpierten wir stapelweise betreffende Schriften des 18./19. Jahrhunderts.
Das Schicksal der schönen Gattenmörderin inspirierte Dichter und Schriftsteller noch jahrzehntelang nach der Tat: 1864 schrieben Carl Haffner und Joseph Pfundheller das Bühnenstück „Die schöne Greißlerin vom Hungelbrunn”, einige Jahre darauf folgte auf diese Vorlage Haffners Roman „Die schöne Richterstochter von Atzgersdorf”. Die digitalisierten Zeitungen und Zeitschriften des Portals ANNO (Austrian Newspaper Online) der Österreichischen Nationalbibliothek geben in einigen Artikel sogar Auskunft über die Aufnahme bei Publikum und Kritik! In diversen Journalen und Zeitungen spukte Theresia Kandl noch länger herum: bis zum Jahr 1934 berichteten die Zeitungen regelmäßig über ihren spektakulären Fall und sind ebenfalls über ANNO einsehbar.
[1] Ubald Tartaruga (= Edmund Otto Ehrenfreund): Der Wiener Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten Kriminalprozesse aus Alt- und Neu-Wien. – Wien und Leipzig: Verlag C. Barth 1924, S. 49.